Kurzgeschichte Teil 6: Tüwkow kocht!
Folge Sechs
Die Rezepte für das Tüwkow-Kochbuch sind eingesammelt. Mike hat Urlaubstage und Wochenenden geopfert, um daraus ein Buch zu machen. Aber beim Versand an die Druckerei hat er etwas Wichtiges vergessen.
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Das fehlende Impressum habe ich rasch noch reingesetzt. Herausgegeben vom Dorfladen Tüwkow e.V., vertreten durch den Vorsitzenden Mike Schulte. Schon komisch, den eigenen Namen vorne in einem Buch zu sehen. Kaum habe ich den anderen erzählt, dass ich die Unterlagen weggeschickt habe, kommen die Nachfragen, wenn unser Buch denn endlich da ist. Ich sage nur Jan, wie viele Runden ich drehen muss, um Schreibfehler zu korrigieren und die passenden Bilder auszuwählen.
Einmal probiere ich mit Lena zwischendurch ein Rezept aus, weil ich sicher sein will, dass auch alles stimmt. Pommersche Götterspeise macht man tatsächlich mit Schichten aus geriebenem Pumpernickel, Schlagsahne und Preiselbeeren. Es werden noch Schokoflocken eingerührt und zum Schluss kommen Schokoraspel oben drauf. Zwischendurch leider drei Stunden im Kühlschrank, also nichts für die schnelle Küche.
Petra hat angefangen, mit Jan Einkaufshilfen für die Konsum-Kunden vorzubereiten, die eines der Kochbücher kaufen und Rezepte nachkochen wollen.„Mike, sollen wir nicht gleich fertige Pakete für jedes Rezept zusammenstellen? Das wäre noch einfacher. Noch mehr Service, weisst du?“ Ich muss Petra bremsen. „Laß uns abwarten, wie das Buch angenommen wird und wie oft jemand tatsächlich etwas nachkochen will. Noch haben wir kein einziges Buch verkauft.“ Die Abstimmung für das beliebteste Rezept haben wir zwischendurch auch gemacht. Das Hirschragout von Lena und mir ist irgendwo im Mittelfeld gelandet. Das ist egal, wir werden immer etwas Besonderes mit diesem Rezept verbinden. Gewonnen hat natürlich eine Torte, die Sonntagstorte von Frau Engelke mit Buttercreme und Schwarzkirschen.
Es fühlt sich komisch an, das fertige Buch in der Hand zu halten. Gestern ist der große Karton mit DHL gekommen, der erste Stapel ist sofort neben der Kasse im Konsum gelandet und ein Exemplar im Schaufenster. Das erste Buch soll Franzi gekauft haben, sagt Petra. Natürlich ist mir gleich beim ersten Aufschlagen des Buchs ein Tippfehler aufgefallen. Den haben auch Lena und Jan und die anderen, die schnell noch probegelesen haben, nicht gesehen. Da muss ich dann ein breites Kreuz machen, wenn es jemanden auffällt. Wir sind schließlich keine Profis. Immerhin war es nur ein Tippfehler und nicht etwa Schoko mit Chili verwechselt. Im Konsum ist heute viel los und fast jeder, der zum Einkauf oder zum Schnack kommt, nimmt ein Tüwkow-Kochbuch mit. Ein Kunde, durchs Fenster kann ich ein Kennzeichen aus Brandenburg sehen, kommt nach einer Viertelstunde ein zweites Mal rein. Er hält das Kochbuch aufgeschlagen in der Hand, ich kann die Seite mit den Göbsklümp erkennen. „Dieses Rezept hier“, sagt er und schiebt seine Brille auf die Stirn, „haben Sie das alles da? Ich habe spontan Hunger gekriegt“, setzt er etwas verlegen hinzu.
Petra grinst mich an und stiefelt mit ihm und einem Korb los. Die erste Auflage von 200 Stück geht gut weg, wir werden nachdrucken müssen. Und tatsächlich steigt der Umsatz im Konsum in den ersten Tagen etwas an. Der Bürgermeister nimmt natürlich auch eins und baut sich damit vor mir auf. „Mike, das Wichtigste fehlt“, sagt er ernst. „In die nächste Auflage muss ein Grußwort von mir rein.“ Ich nicke. „Zwei Bedingungen. Die Gemeinde gibt einen Zuschuss für die Druckkosten und wir können das Wappen von Tüwkow auf dem Einband drucken.“ Er grummelt ein wenig und nickt dann auch. „Können wir drüber reden.“ Wir haben Appetit geweckt. Und Erfolg hat viele Väter. Und – viel wichtiger – ich habe heute Abend ein Date mit Lena, wir wollen Wildschwein-Klopse mit Lauch machen und zum Nachtisch Kalte Nasen.
Dafür werden Rosinen in Cognac eingeweicht, der einfache Teig aus Eiern, Mehl, Zucker und einer Prise Salz muss eine Stunde im Kühlschrank ruhen. In dieser Zeit verrühren wir Quark mit schaumig geschlagener Butter, zwei Eigelb, den eingeweichten Rosinen, drei Esslöffeln Zucker, etwas Safran und einer Prise Salz. Diese Masse geben wir auf ausgeschnittene Vierecke des ausgerollten Teigs, die Vierecke schlagen wir dann zu Dreiecken zusammen und verkleben die Ränder mit aufgeschlagenem Eiweiss. Zwischendurch befolgen wir die Regel ‚Nehmen Sie ein gutes Glas Wein und gießen Sie es in den Koch’. Lena hat Mehl an der Nase und kriegt rote Wangen. Und ich kriege Schwierigkeiten, mich auf das Rezept zu konzentrieren. Diese Teigpakete mit Quarkfüllung legen wir in heißes Wasser, sie müssen eine Viertelstunde sanft köcheln. Für den Belag mischen wir einen Löffel Zucker mit etwas Zimt und streuen ihn auf die Kalten Nasen, sobald wir sie nach dem Kochen mit etwas zerlassener Butter bepinselt haben.
Aber mehr als eine davon geht nach den Wildschwein-Klopsen nicht mehr. Lena legt mir die Arme um den Hals. „Das ist schön hier bei euch.“
Ich nehme sie in den Arm. „Alles, was man braucht.“
Verlag Weberhof
Siebo Woydt
Kleine Seestrasse 1
18279 Lalendorf OT Langhagen
01573-8998098
siebo.woydt@outlook.de
…die ganze Geschichte können Sie nachlesen unter www.Mecklenbuch.de/Kochbuch
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