Amtliche Meldung

“Dorfladen für Tüwkow?” – Kurzgeschichte Teil 5

Folge Fünf

In Tüwkow sind die Umbauarbeiten für den Dorfladen in vollem Gang. Die akuten Geldsorgen wurden durch Fördermittel vom Land gelindert. Dann fällt der wichtigste Handwerker aus und der letzte Halt des Brotwagens im Dorf steht kurz bevor.
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Natürlich haben wir uns mit Siggi über seinen neuen Job gefreut. Aber auf unserer Baustelle fehlte jetzt der Einzige, der jeden Morgen Erfahrung und Fachwissen mitgebracht hatte. Schon an dem Montag, an dem er morgens nicht zu uns, sondern aus dem Dorf heraus zu seiner neuen Stelle fuhr, standen wir im Laden und waren uns nicht einig, was als nächstes gemacht werden musste. Sogar die drei Rentner, die morgens immer die ersten waren, verspäteten sich jetzt und werkelten einsilbig vor sich hin. Der Geräuschpegel auf unserer Baustelle war drastisch gesunken.

„Chef, wir müssen was machen“, sagte Jan so leise, dass nur ich es hören konnte. Ich wünschte, er würde aufhören, mich immer Chef zu nennen, nur weil ich der Vereinsvorsitzende war. Ich hatte doch auch keine Lösung.
„Und was?“ Petra stellte sich neben uns und wischte sich Farbreste von den Händen. „Da ist ein Elefant im Raum, so sagt man das glaube ich. Alle wissen was los ist, aber keiner spricht darüber.“
Wir haben dann kurzfristig eine Versammlung des Vereins abgehalten. Da wir keinen anderen Raum hatten, mussten wir dafür in unserem Laden Platz machen und das hieß, die ganzen Gerüste, Leitern, Farbeimer, Kabel, Abdeckfolien und so weiter zur Seite zu räumen, sauber zu machen und von irgendwo genügend Bierbänke und Stühle zu besorgen. Diese eine Stunde Versammlung hat uns also locker zwei ganze Tage gekostet, die wir eigentlich nicht hatten. Aber im Nachhinein war es eine gute Idee, auch wenn gleich danach ein Drittel der Vereinsmitglieder ausgetreten ist.

Ich stellte mich vorne hin, ungefähr da, wo mal die Kasse sein sollte. Der Zettel mit den Notizen war in meiner Hand längst auf geweicht und zerknittert und mein Hals tat weh. Wir hatten bis spät in die letzte Nacht eine Präsentation vorbereitet, die ich zu Anfang zeigte. Dafür hatten wir extra den Beamer vom Fußballverein geliehen, leere weiße Wände hatten wir ja genug.
Klötzchengrafik, schlecht belichtete Fotos und ein paar Rechtschreibfehler, aber ein roter Faden vom ersten Bild des Brotwagens mit geschlossener Klappe, dem leer stehenden Konsum in schwarz-weiß, der ersten Seite der Vereinssatzung, dem Foto von der Unterschrift mit dem Bürgermeister und mehrer Bilder und Meilensteine des Baufortschritts. Dabei war natürlich auch ein Foto, auf dem Siggi mit seinem unverzichtbaren Akkuschrauber zu sehen war. Da meldeten sich die ersten Zweifler.
„Mike, wie gehts denn weiter ohne Siggi?“
Bevor ich antworten konnte kam von der anderen Seite „Das kann doch nicht mehr funktionieren!“ „Ihr habt doch keinen Plan mehr!“ Ich hatte schon den Arm gehoben, um auf den Einsatzplan zu zeigen, den wir natürlich an der Wand gelassen hatten. Gerade jetzt meldete sich Freddy, der mich zwei Wochen vorher schon beim Fußball böse gefoult hatte.
„Mein Geld versenk ich hier nicht mehr“, sagte er überlaut. Seine Sitznachbarn brummten zustimmend, jemand schlug ihm von hinten auf die Schulter.
Ganz links stand einer auf. „Das bringt doch nichts mehr. Ich bin weg.“

Weitere standen auf und folgten ihm, Freddy war einer der ersten. Rasch wurden Stühle leer. Die anderen sahen sich an, Schultern wurden gezuckt. Dann stand noch jemand auf, ein Stuhl rappelte. Die alte Makisch stützte sich auf der Lehne ab, das Stehen fiel ihr mit der Schiene am Knie noch schwer. Sie räusperte sich und es wurde still im Raum. „Also. Ich mache weiter Brötchen und Kaffee. Ich lasse mir meinen Laden nicht nehmen.“ Wieder gab es Gebrummel, zustimmend dieses Mal. Meine Stellvertreterin Franzi war mutiger als ich. „Wer ist dafür, dass wir weitermachen?“ Schon hob sie die Hand. Die meisten Hände gingen sofort nach oben. Zwei oder drei sahen sich erst um, hoben dann aber auch den Arm.
„Prima“, sagte sie mit rotem Hals. „Wenn wir die leeren Stühle als Nein-Stimmen zählen, dann ist mehr als Hälfte für Weitermachen.“
Es gab verhaltenen Applaus. Echt erleichtert waren wir nicht, dafür gab es zu viel zu tun und zu wenig Zeit.
Und es gab noch ein Problem. Schatzmeister Jan stellte sich neben uns, während wir die Vereinsmitglieder verabschiedeten. „Gut gemacht, ihr beiden.  Aber wenn die Sparkasse erfährt, dass wir plötzlich ein Drittel der Mitglieder verloren haben, dann gibt es garantiert Ärger wegen der Überziehung.“ „So schlimm?“
„So schlimm.“

…wie es weiter geht, erfahren Sie morgen!

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