Amtliche Meldung

“Dorfladen für Tüwkow?” – Kurzgeschichte Teil 6

Folge Sechs

Der eigene Dorfladen in Tüwkow steht auf der Kippe. Nach Rückschlägen ist ein Drittel der Vereinsmitglieder ausgetreten, die Finanzierung scheint in Gefahr, die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt.
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Wir haben es auch ohne Siggi und die paar Zweifler geschafft. Aber diese Zeit möchte ich nicht noch einmal durchmachen. Fehler tun weh und sind teuer. Und als Physiotherapeut mit dauerndem Muskelkater bist du nicht gut im Geschäft.
Natürlich gerieten wir ziemlich aus dem Zeitplan. Der Brotlaster von Bernig Senior kam zum letzten Mal nach Tüwkow, zwei unserer alten Damen warteten mit Blümchen auf ihn und er schnäuzte in sein Taschentuch. Er fuhr das letzte Mal aus dem Dorf und wir hatten noch drei Wochen Arbeit vor uns, mindestens. Jeder hatte schon im Kalender stehen, wann und wie oft er mit oder für Eltern und Nachbarn zum Einkaufen in die Stadt fahren musste.
Es wurden fünf Wochen und wir mussten noch zweimal mit der Sparkasse kämpfen, denn auch regionale Lieferanten bestehen bei einem neu gegründeten Dorfladen gerne auf Vorkasse und wir hatten das neue Schaufenster und die Registrierkasse nicht auf dem Zettel gehabt. Der spontane Massenaustritt unserer Mitglieder hat die Banker aber kaum interessiert. Solange die Anzahl der Mitglieder der Satzung entspricht, sagten sie, sei alles in Ordnung, solange seien wir rechtsfähig. Aber der aktualisierte Zeitplan, den wir ihnen vorlegten, sorgte bei den beiden Anzugträgern für hochgezogene Augenbrauen.

Kurz vor unserem Eröffnungstermin, die Handzettel und das Mail an die Zeitung waren vorbereitet und die Werbung auf unserer Webseite konnte mit einem Mausklick gestartet werden, kam der Bürgermeister mit einem Brief vom Landesamt für Straßenbau. Genau zwei Tage vor der Eröffnung sollte die Dorfstraße in Tüwkow, an der unser Laden liegt, gesperrt werden. Damit wären wir für Monate vom Verkehr abgeschnitten.
Irgendwie hat er dann geschafft, das um ein halbes Jahr zu verschieben. Wir wissen bis heute nicht, was er dafür geopfert hat. Und er wechselt gleich das Thema, wenn wir in darauf ansprechen.

Die ersten Lieferungen trafen ein, die Regale füllten sich, die Kühltruhen brummten beruhigend.  Zunächst hatten nur Licht und Schwerkraft funktioniert, dann erwachte unser Laden langsam zum Leben. Im NDR lief ‚A Kind Of Magic‘ von Queen. Wir hatten die Öffnungszeiten und den Einsatzplan fertig. Ein wichtiger Schritt war die Preisgestaltung, dann natürlich konnten wir uns preislich nicht überall gegen die Discounter durchsetzen, daher setzten wir auf Qualität und Regionalität statt Preiskampf und hofften, dass wir diese Wette gewinnen würden. Die meisten unserer Lieferanten kamen aus dem Umland und hatten sich mit dem Argument, dass ihre Erzeugnisse bei uns im Laden automatisch und kostenlose Werbung bekommen würden, zu guten Preise bewegen lassen. Und wir würden allen Zweiflern gerne vorrechnen, dass sie beim Vergleich der Artikelpreise auch die Fahrzeit zum Discounter und den Sprit einrechnen müßten. Unser größtes Risiko war, dass die Leute bei uns nur kauften, was sie beim Discounter vergessen hatten. Dann würde unser Laden schnell wieder weg sein und unser Verein säße auf Schulden und einem Berg abgelaufener Lebensmittel.

Vor der Eröffnung haben wir alle nicht geschlafen, glaube ich, und die ersten von uns schlichen schon um halb sieben durch den Laden, „Gerade noch mal nach dem Rechten sehen“. Kaffee, Sekt, Saft, Brötchen, Kuchen, Biertische und Bänke für draußen wurden vorbereitet, Petra klemmte sich den Finger in der Tür,  Siggi hatte sich Urlaub genommen und bekam nach den ersten Luftballons einen roten Kopf, für abends lagen die Würstchen in der großen Kühltheke und ein Sack Grillkohle stand in der Ecke.
Der Tag ist in meiner Erinnerung ein großes Durcheinander aus Farben, Geräuschen, Bewegung, Staunen, Freude und Glückwünschen. Es wurde viel umarmt und die ersten ‚weisst-du-noch‘-Geschichten tauchten auf.
Irgendwann standen Karl-August und Inge vor mir, meine Eltern. Vater hatte schon einen vollen Korb in der Hand mit Butter und der Mettwurst, die er so gerne aß. „Warum hat das so lange gedauert? Die paar Regale aufstellen…“

Aber in seinem Blick lag viel Stolz.

Verlag Weberhof
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Das war die Kurzgeschichte “Dorfladen für Tüwkow?”
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